TEFAF in Maastricht: Kunstmarkt Trends und der Sammler in der Öffentlichkeit

Wenn in Maastricht am Freitag den 13. 3. 2015 Punkt 11 Uhr eine lange festlich gestimmte Menschenschlange zwischen üppiger Tulpendekoration ungeduldig auf den Einlass wartet, hat die Messe aller Messen wieder begonnen. 34 000 Objekte und 275 Aussteller aus 20 Ländern bieten Herausragendes aus 7000 Jahren.

Begleitend zum Event fand das Symposium statt, dass neben den letzten Kunstmarkttrends, unter dem Motto: “Private goes Public. Advancing relationship between private collectors and the public realm” stand:

Aber zuerst zu den Kunstmarkttrends des letzten Jahres:

Dem Kunstmarkt geht’s so gut wie nie: Mit fast 51 Milliarden Euro Jahresumsatz (Auktion und Handel) ist das das beste Ergebnis seit 2007 (48 Milliarden) meint Claire Mc Andrew zu Beginn des Symposiums. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Kunst laut ihrem Art Market Report 2015 das drittbeliebteste  Sammelgebiet ist, nach Autos, Booten und Flugzeugen und Uhren und Schmuck. Der gestiegene Jahresumsatz liegt auch an der grösseren Kaufkraft der Sammler: Die Zahl der HNWI (High Networth Individuals) 1) sind von 13,7 Millionen Ende 2013 um 15% binnen eines Jahres gestiegen. Die Zahl der Milliardaire liegt bei 2325 Personen weltweit, soviel wie nie zuvor.

Die Top 3 der Kunstmarktzentren der letzten Jahre befinden sich nach wie vor an der Spitze: Die USA mit 39%, China hält sich stabil zusammen mit Grossbritannien mit 22% Marktanteil. Weiter weg liegen die anderen Europäischen Länder wie Frankreich 6%, Deutschland hat immerhin noch 2% Marktanteil, Österreich ist in “others” mit eingeschlossen. Wie zu erwarten, führt die zeitgenössische Kunst (Postwar) mit 48%, gefolgt von der Moderne mit 28%, den Impressionisten mit 12% und den Alten Meistern mit 9%. 2) 2a)

Wenn man die Details betrachtet, sind diese bei den drei Segmenten sehr ähnlich: Die Top 20 Künstler machen bei den Zeitgenossen 42% des Umsatzes der weltweiten Auktionsverkäufe aus, bei der modernen Kunst sind es 50%  und bei den Alten Meistern 39%. Bei den Impressionisten sind es sogar 63% des Umsatzes. Die Zahlen werden deutlich kleiner, wenn man den Anteil der verkauften Werke dieser Künstler im Vergleich zu den anderen Lots in den Auktionen misst: Dann sind es lediglich 5-10%. Aber den grössten quantitativen Posten haben die Werke unter 50 000 Euro: Die Anzahl der Transaktionen liegt bei allen vier Segmenten bei rund 93%.

Das heisst, Namen zählen mehr denn je und die werden auch global gehandelt. Damit verteilen sich die Begehrlichkeiten und hohe Preise auf einige Top Künstler, die regelmässig in den internationalen Rankings erscheinen. (Wobei sich die Liste immer wieder verändert.) Trotzdem kann man kaum von einer Blase, die leicht platzen kann, sprechen: Die grossen Sammler müssen nicht aus Not verkaufen: Sie haben genügend Geld um zu warten. Die Sammler des des mittleren Marktes  hingegen überlegen länger, bevor sie Kunst kaufen, da sie sich die hohen Preise nicht mehr leisten können und glauben, dass sie sich für ein Jahresbudget von z.B. 50 000 Euro nichts Vernünftiges mehr leisten können. Sie investieren lieber in andere Güter. Das ist ein Phänomen, dass nicht neu ist und schon seit einigen Jahren besteht. Aus meiner Beobachtung ist dieses Segment jedoch nicht völlig pessimistisch zu sehen: Die Sammler und der Handel kaufen zwar kritischer, aber wenn das Objekt und der Zustand stimmen, dann tut es auch der Verkauf. Ausserdem gibt es nach wie vor viele unterschiedliche Märkte, die immer einzeln zu betrachten sind.

Gewinner ist ebenfalls, das untere, günstige Preissegment (bis EUR 3000.-),  Dank starker online Präsenz und neuen Plattformen, zu denen der Nutzer jetzt Vertrauen gefunden hat. Verstärkt verkauft werden dort ebenso die Objekte des Mittelfeldes. Diskretion ist jedoch alles: Für die hochpreisigen Arbeiten sind immernoch der klassische Kunsthandel mit Auktionen, Messen und Galerien massgebend. Wobei laut Studie auch dieses Segment bald den Weg in den Online Handel finden wird.

Trotz aller Unkenrufe sind die Galerien nach wie vor ein wichtiger Verkaufsort für Kunst mit einem Umsatz von 52% und einem Gesamterlös von 26 Milliarden Euro. (Gesamten weltweiten Verkäufe des Handels, nicht Auktionen).  Messen bekommen im internationalen Handel immer mehr Bedeutung. Sie machen 40% dieser Verkäufe aus. Wenn Ihnen das nach viel klingt: Teilen Sie diese Summe auf die weltweiten ca. 309 000 Firmen (oft Kleinbetriebe) auf: Dann wird sie relativiert.

Wenn Sie noch mehr Zahlen wissen wollen, hier sind noch einige Details.

“Private goes Public. Advancing relationship between private collectors and the public realm.”

Das stille Sammeln in den eigenen vier Wänden scheint für Viele der Vergangenheit anzugehören: Verstärkt treten Sammler selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf, schenken oder leihen ihre Kunstwerke an grosse Museen. Diese Zusammenarbeit ist durchaus für beide Parteien eine Win-Win Situation: Die Museen profitieren von den Objekten der Sammler um den eigenen Bestand zu komplettieren und die Sammler werten damit ihre eigenen Arbeiten auf.  Denn wenn eine künstlerische Arbeit in einem grossen Museum oder einer (oder mehren) wichtigen Ausstellung (en)  gezeigt wird, kann der Wert des Objektes bis zu 20% steigen. 3) Ein anderer, idealistischerer Aspekt ist das gestiegene Bedürfnis die eigene Kunst zu teilen, und seine Arbeiten durch einen anderen Kontext neue Aspekte des Werkes zu entdecken.

Die Frage: “Wie findet nun ein Museum den Weg zum Sammler?” kann das drei Jahre alte Startup Vastari beantworten. Sammler, die Ihre Werke ausstellen möchten, können sie auf der online Plattform hochladen und die Kuratoren der Museen bekommen zu dieser Zugriff. Das spart den Kuratoren viel Zeit bei der Suche und der Kontaktaufnahme.

Kubus kann jeder.

 

Museum Beumans Beuningen, Rotterdam

The Collection Building. Foto: Museum Boimans van Beuningen, Rotterdam

Dachte sich die vom Museum Boimann Beuningen ausgewählte Architektengruppe MVRDV als sie das neue Kunstdepot entwarfen. Das Museum hat eine Erweiterung für die überquellende Sammlung von ca. 145 000 Objekten quer durch 5 Jahrhunderte und alle Gattungen dringend nötig. Zudem kann das Haus nur 30% des Bestandes ausstellen. Das neue Gebäude sieht aus wie ein riesiger verspiegelter Blumentopf,  der auf der Fläche eines halben Fussballfeldes in der Nähe des Museums seinen Platz finden soll. Die Bäume die auf Grund des Bauwerks am Boden entfernt werden müssen, werden umgepflanzt und wachsen auf dem Dach des Gebäudes weiter.

Kunstlager für Sammler und Multifunktionalität.

Neu ist, dass auch für Privatsammler die Möglichkeit geboten werden soll, ihre Arbeiten im Depot  aufzubewahren aber auch ausszustellen. Ein spannendes Konzept, dass einem Sammler viele Vorteile, allen voran eine professionnelle Infrastruktur mit den Möglichkeiten unter anderem der fachgerechten Restaurierung, aber vor allem hohe Sicherheitsstandards und perfekt klimatisierte eigene Lagerräume bietet. Ein Grossteil der Objekte wird ausgestellt, aber nicht in der heute üblichen Weise auf einer Reihe in Augenhöhe, sondern wie im 19. Jahrhundert: Übereinander, gestellt oder gehängt wo gerade Platz ist. Trotz aller Sicherheit kann man das Museum besichtigen: Führungen sind in Abständen von 15 Minuten geplant.

Interesse besteht. Der Museumsdirektor Sjarel Ex hat bereits Gespräche mit einzelnen Sammlern geführt. Die Finanzierung steht ebenfalls. Wenn die Regierung am 28. Mai grünes Licht für den Bau gegeben hat, könnte das Projekt bis 2018 fertig werden.

Derzeit ist dieser Bau der erste seiner Art. Aber etwas muss wohl in der Luft liegen: Es gibt weltweit bereits sechs weitere Museen, darunter das Louvre Lens, die ebenfalls daran denken, so ein Depot in Tat umszusetzen.

Und zum Schluss: ein kurzer Blick ins Geschehen:

Auffallend ist, dass die einzelnen Händler die Objekte auf ihrem Stand mehr mischen: Alte Tapisserien ergänzen sich mit Design Stühlen, Impressionisten hängen neben Alten Meistern, oder ein antikes Möbel steht unter einem Modernen Gemälde. “Händler möchten zeigen, wie die Werke zu Hause zusammen aussehen könnten”.4) In der Tat bieten diese Kompositionen dem Besucher immer wieder Überrraschungen und Anregungen. Es zeigt sich aber auch, dass sich die Prozentzahlen einer Statistik bei so einer Messe relativieren. Die Vielzahl an Gattungen, Epochen und Künstlern beweisen, dass jeder seinen eigenen “Trend” setzen kann. Neben all den Superlativen ist sogar noch etwas für die kleine Brieftasche zu finden: Ab 2500 Euro ist man sogar auf der TEFAF dabei. Und: Die Rankings ändern sich, die Qualität bleibt.

Die TEFAF in 2 Minuten: Für diejenigen, die es bis zum 22.3. nicht nach Maastricht schaffen:

 

 

1) Personen, die ein Vermögen über eine Million USD haben.

2) a)Alte Meister: Jahrgänge der Künstler bis 1821. b)Impressionisten/Postimpressionisten: Künstler die zwischen 1821 und 1874 geboren wurden. c) Moderne: Künstler die zwischen 1875 und 1910 geboren wurden. d) Zeitgenossen und “PostWar”: Künstler die ab 1910 geboren wurden.

2a) Kunstgewerbe und Antiquitäten sind zwar in der Studie erwähnt, nehmen aber nur einen relativ kleinen Platz ein. Daher möchte ich sie in diesem Beitrag ausklammern.

3) Mit Betonung auf grosse Museen und wichtige Ausstellungen. Und dann hängt es natürlich noch von der Arbeit ab. (Künstler, Motiv, Technik, Zustand…).

4) Julia Halperin, At Tefaf Maastricht, art dealers mix old and new more than ever, The Art Newspaper.

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