Ab nach München! Ausstellung im Stadtmuseum München

Sie waren begabt, hielten nicht viel von Traditionen und waren oft Pionierinnen auf ihren Gebieten: Die Frauen, die um 1900 nach München reisten, um ihrer Berufung nachzugehen. Einfach war das nicht. Frauen hatten den heimischen Herd zu hüten und wurden häufig als talentfrei angesehen. Die Zulassung in die öffentliche Kunstakademie erhielten sie erst ab 1919. Dennoch war München ein guter Boden, um eine Ausbildung als Künstlerin zu beginnen: Neben den privaten Malschulen war die vom Künstlerinnen-Verein ins Leben gerufene “Damen-Akademie” eine gute Alternative, um eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen. Die um 1900 gegründete Frauenbewegung trug ebenfalls dazu bei, das Selbstverständnis der Frauen zu fördern.

 

Herbst (Schule)

Marianne von Werefkin, Herbst (Schule), Tempera auf Papier auf Karton, 56×73 cm, 1907, Foto: Fondazione Marianne Werefkin, Museo comunale d’arte moderna, Ascona

 

Die Stadt wurde zum internationalen Treffpunkt für den künstlerischen Austausch der teilweise vielgereisten Künstlerinnen: Da sind bekannte Namen, wie die Russin Marianne von Werefkin, die für ihre Portraitmalerei den Beinamen “Russischer Rembrandt” bekam und deren “rosafarbener Salon” als Keimzelle der modernen Malerei gelten kann. Oder die Wienerin Tina Blau, die drei Jahre in München bei Prof. Wilhelm Lindenschmitt in München lernt. Ihren Aufenthalt kann sie bereits durch die ersten Verkäufe ihrer Bilder finanzieren. Für eine Frau war das keine Selbstverständlichkeit. Die Bilder der Maler der Barbizon Schule, die die Künstlerin als 24-jährige bei einer Ausstellung im Münchner Glaspalast studieren kann, hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck bei ihr: Ab diesem Zeitpunkt malt sie verstärkt nicht mehr im Atelier sondern in der Natur, zu dieser Zeit immernoch ein Novum. Tina Blau kann nicht nur von ihrer Arbeit leben sondern ist im In- wie im Ausland erfolgreich: 1883 darf sie im Pariser Salon ausstellen, 1890 hat sie mit 60 ihrer Werke eine Einzelausstellung, die durch verschiedene deutsche Städte reist, und sogar der österreichischiche Kaiser besitzt ein Gemälde von ihr. Zusätzlich unterrichtet sie in der Münchner Damen-Akademie. Im Sommer arbeitet sie mit ihren Schülerinnen, wie soll es anders sein, im Freien.

Viele Geschichten sind zu erzählen. Die Stärke der rund 250 Objekte umfassenden Ausstellung ist ihre Vielseitigkeit. Sie spannt ein Bogen über die Malerei, der Druckgraphik, der Fotographie und dem Kunstgewerbe. Denn da hatten die Damen es leichter: An dem “Lehr- und Versuchsatelier für angewandte und freie Kunst” die von Hermann Obrist und Wilhelm von Debschitz gegründet wurde, herrschte Gleichberechtigung: Es wurden “vor allem die individuellen Fähigkeiten aber auch die Empfindungen der einzelnen Schülerinnen in den Vordergrund” gestellt. 1) Vielseitigkeit war an der Tagesordnung: Zum Beispiel Else Wenz-Vietor wechselte schnell vom Abzeichnen von Gibsmodellen an der Kunstgewerbeschule, das sie unterforderte, in München zur Damen Akademie. Nach kurzen zwei Jahren Ausbildung verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Kinderbuchillustratorin aber auch mit dem Entwurf von Möbeln, Glas oder Porzellan. Mein persönliches Highlight der Ausstellung ist der in Form eines stilisierten Baumes gestaltete 24armige Kerzenleuchter der Bildhauerin und Goldschmiedin Gertraud von Schnellenbühel von 1913. Er gilt als eine der Ikonen des Jugendstils.

Vermutlich hätte ich nicht den Weg ins Stadtmuseum gefunden, wenn mich dieses Thema nicht hier und hier  bereits auf meinem Blog bereits beschäftigt hätte. Es ist vergleichsweise eine leise Ausstellung, bei der man gelegentlich ein bisschen näher hinsehen muss aber dabei viel Neues entdecken kann. Ein kleiner Wermutstropfen ist lediglich, dass das eine oder andere Werk (etwa der “Frühling im Prater” von Tina Blau) nur in einer Reproduktion zu sehen ist. Aber es sind deren nur sehr Wenige und man kann nicht alles haben. Insgesamt bekommt man einen guten Überblick über die Künstlerinnen und ihren Talenten, die die Zeit um 1900 entscheidend mitgeprägt haben.

Wer keine Gelegenheit hat, die Ausstellung zu besuchen oder auch für danach: Im reich illustrierten Katalog, bieten die ausführlichen und fundierten Artikel zu den einzelnen Künstlerinnen eine gute Grundlage. Weiteres Quellenmaterial findet man in den Fussnoten, am Ende des Kataloges. Die Ausstellung ist noch bis 8. Februar 2015 in München zu sehen.

1) Katalog S. 188.

Münchner Stadtmuseum

St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Tel. +49-(0)89-233-22370
Fax +49-(0)89-233-25033

Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr

Noch bis zum 8. Februar 2015
Ab nach München – Künstlerinnen um 1900

Hrsg v. Antonia Voit

Katalog EUR 29,90

 

 

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